Einsingen am Morgen

Manchmal komme ich als Sängerin nicht drum herum, früh morgens singen zu müssen … ähm … dürfen. So geschehen Anfang September, als ich im Schuleinführungsgottesdienst tätig war. In diesem Artikel lasse ich dich hinter die Kulissen schauen und zeige dir, wie mein Einsingen am Morgen aussieht.

 

 

Einsingen am Morgen – Der Start

Der Tag beginnt um 6.00 Uhr mit dem Wecker. In Worten: Sechs Uhr! Ich mag solche Zeiten nicht. Es ist ein Krampf, zu dieser frühen Stunde aufzustehen. Noch mehr, seit der Feierabend zwischen acht und zehn Uhr alltäglich für mich ist.

Doch weil ich um acht Uhr in der Kirche nicht nur physisch anwesend sein muss, sondern auch noch singbereit, muss ich entsprechend früh aufstehen. Je nachdem, was in meinem Leben gerade los ist, braucht meine Stimme zwei bis drei Stunden, bis sie wirklich wach und bereit ist.

Also trinke ich direkt nach dem Aufstehen ein großes Glas Wasser. Die Schleimhäute sind ausgetrocknet und im Gehirn hängen noch Spinnweben. Erst danach trinke ich eine Tasse Kaffe zum Wachwerden und dazu weiterhin Wasser.

 

Einsingen am Morgen – Der Körper

Die ersten Bewegungsübungen entstehen nebenbei: Ich schlurfe durch die Wohnung auf der Suche nach den angebrochenen Wasserflaschen.

Nach einer Runde Yoga verflüchtigen sich die ersten Spinnweben im Gehirn. Nach dem Sonnengruß kann ich klarer denken. Außerdem strecke und dehne ich mich dabei und mein Kreislauf freut sich über die Action. Die Kobra-Übung genieße ich besonders. Sie öffnet so schön den Brustkorb. Danach bin ich wacher und stehe aufrecht – toll!

Dann ist die Atmung dran. Ich konzentriere mich ein paar Minuten lang auf meine Bauchatmung und atme auf „f“ geräuschvoll aus. Ich stelle mir vor, wie die Luft, die ich einatme, mir Energie gibt. Wie ich beim Ausatmen die Müdigkeit loslasse. Atemzug um Atemzug.

 

Alternativen und Anmerkungen:

  • Normale Streck- und Dehnübungen, entweder direkt im Bett oder vor dem geöffneten Fenster.
  • Eine Minute auf einem Bein hüpfen. Anderes Bein nicht vergessen.
  • Die Hampelmann-Übung aus dem Sportunterricht regt wunderbar den Kreislauf an.
  • Die Baum-Übung aus dem Yoga sowie alle anderen Asanas, bei denen die Arme über den Kopf geführt werden und sich der Brustkorb weitet, eignen sich wunderbar. Dadurch werden die Muskeln zwischen den Rippen gedehnt, was wiederum die Bauchatmung und den Support unterstützt.
  • Aus dem Qigong kommt die Shibashi-Übungsfolge, die Atmung und Körper gleichermaßen anregt. Die Übungen „Den Regenbogen bewegen“ und „den Mond anschauen“ dehnen die Flanken, die am Support beteiligt sind.
  • Wenn du die Yoga-Atmung kannst, sei gewarnt: Sie läuft genau entgegen gesetzt zur Sänger-Atmung und außerdem in den Brustkorb. Um eine Sänger-Atemübung, die den Atem vertieft und das Zwerchfell nutzt, kommst du nicht herum.
  • Statt der Visualisation kannst du während der Atemübung auch kurz meditieren, beten oder eine Affirmation sprechen.

 

Einsingen am Morgen – Die Stimme

Jetzt ist die Stimme dran. Ich lasse sie zwei-, dreimal auf „m“ Aufzug fahren und seufze Sirenen auf „ju“ von oben nach unten. Jeweils auf einen langen Atemzug und solange, bis alle Luft ausgeatmet ist.

Als nächstes summe ich in bequemer Lage und pendle dabei zwischen Grundton und Sekunde hin und her. Erst langsam mit nur zwei Aufs und Abs, dann schneller. Schließlich erweitere ich den Tonraum bis zur Terz.

Eigentlich will ich als nächstes gleich ins Singen übergehen. Meine Stimme ist jedoch anderer Meinung und kratzt für meinen Geschmack noch zuviel. Also greife ich in die Trickkiste, fülle eine Wasserflasche zur Hälfte und nehme meinen LAX VOXⓇ-Schlauch zur Hand. In bequemer Lage singe ich einen Dreiklang abwärts und führe ihn mal höher, dann wieder tiefer. Ich erweitere die Übung auf und singe auch diese von verschiedenen Starttönen aus in meinen Schlauch.

Schließlich werde ich mutiger und lasse meine Stimme Sirenen vom Grundton bis zur Oktave und zurück blubbern. Ja, jetzt ist die Stimme da.

Bevor ich richtig singe, mach ich meine Lieblings-Lippenflatter-Übung. Ich singe ein zügiges Glissando von der Quinte zum Grundton, zurück zur Quinte, erneut zum Grundton, ein drittes Mal zur Quinte und gehe dann diatonisch abwärts. Alles auf einen Atem. Dabei schlendere ich in meiner Wohnung auf und ab. Für mich ist das über die Jahre zu einer Gehen-plus-Singen-Meditation geworden.

Danach teste ich, was die Stimme an diesem Morgen leisten kann. Ich singen auf „ju“ dieselbe Übung, die ich mit dem LAX VOXⓇ-Schlauch bereits gemacht habe. Ich starte in bequemer Lage und gehe in die Höhe, bis ich keine Lust mehr habe. Kopfstimme anwesend. Fein.

Im Gottesdienst werde ich in bequemer Mittellage und kinderfreundlicher Höhe singen. Deshalb spare ich mir Übungen für die Tiefe. Die ist so früh eh immer da.

 

Alternativen und Anmerkungen:

  • Vocal Coach und Logopädin Stephanie Kruse erklärt dir, was LAX VOXⓇ ist und was es kann. – Update 31.08.2017: Vielen Dank, Stephanie, für deinen fachlichen Support zu LAX VOXⓇ und der Strohhalm-Übung. Merci! – Die Vorteile in Kurzform, die Stephanie als Expertin viel besser erklärt, als ich es kann: Es befreit die Stimmlippen und den Vokaltrakt von unnötigem Druck, lockert deine Artikulationswerkzeuge und regt obendrein die Durchblutung der Schleimhaut an.
  • Wenn du noch keinen LAX VOXⓇ-Schlauch hast … schade ;-) Aber dann probier eine andere Übung: Die Straw-Exercise, auch bekannt als Singen durch einen Strohhalm. Diese Übung hat ebenfalls eine positive Wirkung auf deine Stimmlippen.
  • Wagemutige probieren dieselben Tonfolgen mit Lippenflattern. Wie das geht oder was das bringt, kannst du in den Turbo Tipps Üben Nr. 7 Lippenflattern nachlesen.

 

Einsingen am Morgen – Während der Fahrt

Schließlich ist es Dreiviertel Acht und ich muss mich sputen. Punkt acht Uhr muss ich in der Kirche sein.

Auf der Fahrt dahin seufze und lippenflattere ich noch ein bisschen und singe die ersten beiden Strophen von „Up The Ladder To The Roof“. Ein wunderschöner Song, an dem ich gerade arbeite. Danach ist auch die Resonanz endlich wach und die Stimme sitzt.

Für die Wartezeit bis zum Gottesdienst habe ich mir noch eine Wasserflasche mitgenommen, um das Flüssigkeitsdefizit im Körper weiterhin auszugleichen und weil ich dann noch eine Runde blubbern kann.

 

Alternativen und Anmerkungen:

  • Super, wenn du morgens noch die Zeit hast, einen Song zuhause zu singen. Dabei kannst du umher laufen und deine Atmung besser beobachten.
  • Statt Wasser kannst du auf Kräutertee zurückgreifen. Kaffee, grüner und schwarzer sowie Früchtetee hingegen entziehen dem Körper Wasser. Eine Tasse schadet nicht und hilft der Wachheit, aber als Ersatz für Wasser taugt es nicht.

 

Einsingen am Morgen – Die Bilanz

Wenn du jetzt denkst „Was?! So viel? Wo ich morgens doch sooo viel Zeit habe.“: Sei beruhigt. Ich mach das nebenbei. Die Bewegung kommt von selbst. Auf dem Weg ins Bad, beim Kaffeekochen und Tasche packen. Die wilden, tonal ungebundenen Seufzer und die kurzen Summübungen mache ich, während ich die Haare bürste oder das Gesicht eincreme (da lockert sich der Unterkiefer ganz nebenbei).

Gerade bei den ersten Summ- und Seufz-Übungen kommt es nicht darauf an, dass ich mich wahnsinnig konzentriere. Ich lasse meiner Stimme einfach freien Lauf. Ich überlasse ihr, wohin sie gerade will und animiere sie lediglich, überhaupt etwas zu tun.

Wofür ich mir jedoch wirklich Zeit nehme ist beim Yoga, bei der Tube Phonation mit dem Lax VoxⓇ-Schlauch und meiner Lieblings-Lippenflatter-Übung. Das ist das wirkliche Einsingen und ich konzentriere mich währenddessen nur auf meine Stimme und mich.

Und das Ergebnis? Es konnte sich hören lassen. Den Teilnehmern des Gottesdienstes hat es gefallen, jemanden „da vorn“ sitzen zu haben, der gut bei Stimme war.

 

Einsingen am Morgen – Weiterlesen

 

Zusammenfassung

Das Einsingen am Morgen folgt im Wesentlichen den üblichen Regeln eines Warm Up. Es muss inhaltlich nicht so breit aufgestellt sein wie das Einsingen während des Tags, wie ich dir in diesem Artikel gezeigt habe. Achte trotzdem darauf, deiner Stimme all das  abzuverlangen, was du auch später am Morgen oder Vormittag bei deinem Auftritt brauchst.

 


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